Gedanken zu Israel (und den besetzten Gebieten)

Einige Überlegungen zur derzeitigen und zukünftigen Situation Israels und der besetzten Gebiete. Die Kernthese ist, dass Israel völlige Freiheit bei der Gestaltung der Zukunft Palästinas hat und für diese auch wird Verantwortung übernehmen müssen.

  15. Mai 2018    2' Lesezeit

Grundannahmen

  1. Israel versteht sich als jüdischer Staat.
  2. Die militärische Überlegenheit Israels kann durch keinen Staat der Region auch nur ansatzweise infrage gestellt werden.
  3. Israel hat de facto die Souveränität über das gesamte palästinensische Gebiet. Die „Selbstverwaltungen“ können jederzeit außer Kraft gesetzt werden (bei gezielten Tötungen, Zerstörungen von Häusern, periodischen Militärinterventionen, usw.).
  4. Israel ist einem enormen demografischen Druck ausgesetzt.

Schlussfolgerungen

  1. Israel hat Interesse daran, zu expandieren. Eine feste Grenzsetzung ist nicht in seinem Sinne.
  2. Weder die palästinensische Führung im Westjordanland noch jene in Gaza sind wirkliche „Widersacher“ Israels (sie könnten jederzeit militärisch eliminiert werden), sondern die pragmatischste Art, sich der direkten Besatzung und damit der Verantwortung für die palästinensische Bevölkerung zu entziehen.
  3. Weder Israel noch die palästinensischen Führungen haben ein Interesse an einer klaren Grenzziehung, die den Konflikt beenden würde. Israel muss expandieren und die palästinensische Elite kann weiterhin von den Almosen Israels und der internationalen Gemeinschaft leben, und dem Volk vorspielen, dass sie sich – friedlich oder mit Gewalt – für die illusorischen Grenzen von vor 1967 einsetze.
  4. Die tatsächliche Gefahr für Israel (im derzeitigen Selbstverständnis als jüdischer Staat) wäre eine absolut gewaltfreie Protestbewegung, die einen einzigen multiethnischen Staat und gleiche Bürgerrechte fordert und über kurz oder lang internationale Legitimität erlangen würde. Eine Art palästinensischer Mandela würde zeigen, dass das Problem nicht das oft beschwörte „Fehlen von Gesprächspartnern“ auf der palästinensischen Seite ist, sondern ein eigentlich innerisraelisches.1
  5. Der Iran ist für Israel nicht einmal Ansatzweise eine militärische Bedrohung, auch wenn es Israel gerne so darstellt. Das Problem ist vielmehr die ideologische Strahlkraft des Iran (und dessen Appelle zur Zerstörung des Zionismus) in den Palästinensergebieten. Der Iran kann und will Israel keinesfalls militärisch ausradieren, sondern durch den Konflikt mit den Palästinensern implodieren lassen.

Zukunftsperspektiven

  1. Israel wird die Entscheidungen über die Zukunft der Palästinenser treffen, die palästinensischen Faktionen sind nur Scheinakteure. Auch externe Kräfte (die USA,2 Europa, Russland, regionale Akteure) werden dabei keine signifikante Rolle spielen.
  2. Kurzfristig erscheint die wahrscheinlichste Perspektive die Weiterführung des status quo, bei der Palästinenser schrittweise – und möglichst ohne zu offensichtliche Gewalt – zurückgedrängt werden, um mehr Lebensraum für Israelis zu schaffen.
  3. Mittelfristig wird Israel jedoch ein an ein Legitimitätsproblem stoßen. Das Selbstverständnis des demokratischen Musterstaat mit der „moralischsten Armee der Welt“ wird an der immer größer werdenden Perspektivenlosigkeit der Palästinenser und den immer offensichtlicheren Parallelen zum Apartheid-Regime zerschellen.
  4. Die daraus folgende Sinnkrise kann fast nur tragisch gelöst werden. Das eine Extrem wäre die (wohl kaum gewaltlos zu bewältigende) Aufgabe der jüdischen Identität durch eine Eingliederung der Palästinenser als israelische Bürger, das andere die endgültige (und alle Normen des Völkerrechts brechende) Zwangsumsiedlung der Palästinenser außerhalb des Gebiets des britischen Mandats im Jahr 1946. Wann eine derartige Entscheidung anstehen wird – in zehn, zwanzig oder fünfzig Jahren – ist kaum absehbar.
  1. Diese Perspektive der Gewaltlosigkeit ist (wenn auch nur im Ansatz) bei den derzeitigen Protesten an der „Grenze“ zu Gaza zu erkennen, weshalb Israel soviel daran liegt, sie zu einer „traditionellen“ gewaltsamen Konfrontation mit der Hamas werden zu lassen.
  2. Die berüchtigte Botschaftsverlegung Trumps nach Jerusalem ist ein rein symbolischer Kniefall vor Israel, tatsächlich ändert er nichts an den lokalen Machtverhältnissen. Schon zuvor war etwa eine Zweistaatenlösung außer Reichweite, weil Israel kein Interesse daran hatte und die Abhängigkeit von den USA weitaus geringer ist, als üblicherweise angenommen.